Zur weiteren Etablierung der französischen Regierungskommission und der Deutschen Botschaft, für die bereits Räumlichkeiten im Prinzenbau bzw. im Fürstlich Hohenzollernschen Haus-und Domänenarchiv vorhanden waren, machte man schließlich auch vor der Beschlagnahme der Städtischen Oberschule für Mädchen nicht Halt. Die Anstalt, die bis 1940 als Marienschule von den Schwestern der christlichen Liebe aus Paderborn geführt wurde, bestand aus einem Vorderhaus, dem ehemalige Benefiziathaus, und einem einstöckigen Hinterhaus, in dem zwei Klassenräume untergebracht waren. Das Vorderhaus wurde sowohl 1904 als auch 1911 aufgestockt; das Hinterhaus hatte 1907 ein weiteres Stockwerk erhalten.

Auf Anordnung des Regierungspräsidenten in Sigmaringen und mit der Zustimmung des Gauleiters in seiner Eigenschaft als Reichsverteidigungskommissars von Württemberg und Hohenzollern vom 17. November 1944 wurde das Hinterhaus der Städtischen Oberschule für Mädchen aus staatspolitischen Gründen für die Deutsche Botschaft und für den französischen Regierungsausschuss mit sofortiger Wirkung beschlagnahmt. Doch bereits am 28. November 1944 wurde die Beschlagnahmeverfügung vom 17. November dahingehend geändert, dass die zwei im Erdgeschoß gelegenen Räume des Hinterhauses für die NSDAP-Kreisleitung Sigmaringen mit sofortiger Wirkung beschlagnahmt wurden.

Doch damit hatte es nicht sein Bewenden. Mit Anordnung vom 11. Dezember 1944 wurde aufgrund der §§ 5 und 25 des Reichsleistungsgesetzes vom 1. September 1939 das Zimmer der Schulleiterin im Erdgeschoß des Vorderhauses für die Deutsche Botschaft und den französischen Regierungsausschuss sichergestellt und beschlagnahmt. Die Beschlagnahme erfolgte jedoch ausdrücklich mit der Maßgabe, dass der als Physikzimmer genutzte Raum als Küche für die Haushaltungsschule der Oberschule wie bisher in Betrieb bleiben sollte.

Nach einer Anzeige des Sportkomitees in der Zeitung La France vom 15. März 1945 befand sich in dem Gebäude Karlstraße 12 die Generalverwaltung des Büros für die Lebensmittelversorgung. Vermutlich handelte es sich dabei um einen Raum im ersten Stock des Hintergebäudes.

Nach dem Krieg übernahm der Orden der Schwestern der christlichen Liebe die Oberschule für Mädchen erneut als Marienschule. Infolge des rückläufigen Ordensnachwuchses musste die Kongregation 1953 ihre Niederlassungen in Sigmaringen jedoch endgültig aufgeben. Es handelte sich dabei neben der Marienschule auch um die Kinderbewahranstalt beim „Klösterle“ in der Josefinenstraße. Die ehemalige Marienschule wurde zunächst als Oberschule von der Stadt Sigmaringen weitergeführt, dann aber 1956 nach der Eröffnung der Liebfrauenschule der Franziskanerinnen aus Erlenbad am Schönenberg geschlossen. Die Tradition der Marienschule wird seitdem von der Liebfrauenschule wahrgenommen.

Das Hintergebäude der ehemaligen Marienschule in der Karlstraße wurde danach als Kindergarten genutzt, dann aber 2011 abgebrochen. Auf dem Gelände des Kindergartens entstanden Parkplätze. Das Vorderhaus wird von der Sozialstation Thomas Geiselhart e.V. genutzt.

Otto H. Becker