Der aktuelle Friedhof, in dem in Sigmaringen aufgegangenen Ortsteil Hedingen gelegen, wurde 1826 eröffnet. Das Gelände des hierfür aufgelassenen Friedhofs nutzte man rund 15 Jahre später für den repräsentativen Ausbau der Stadt Sigmaringen. Der Hedinger Friedhof bei der Gruftkirche des Fürstlichen Hauses Hohenzollern, der Hedinger Kirche, musste infolge des Wachstums der Stadt Sigmaringen in den Jahren 1873, 1883 und 1909 erweitert werden. Zuletzt gab es in den 1990er Jahren Überlegungen, den Friedhof erneut zu vergrößern. Die Diskussionen darüber wurden dann aber durch das Aufkommen der Urnenbestattungen auf dem Friedhof und in den Friedwäldern überholt. An eine Friedhoferweiterung denkt heute niemand mehr.
Auch für die 1944/45 nach Sigmaringen gekommenen Franzosen war der Hedinger Friedhof von Bedeutung. Einmal war er für sie ein Ort für die Verehrung der Verstorbenen. So lesen wir in der Zeitung La France Nr. 7 vom 1. November 1944 folgende Ankündigung der Französischen Volkspartei (Parti Populaire Français, P.P.F.): „Im Namen von Jacques Doriot wird am Sonntag, 5. November um 11 Uhr eine Delegation der Französischen Volkspartei unter Simon Sabiani und Marcel Marschall einen Kranz am Denkmal für die Verstorbenen des Friedhofs niederlegen. Diese Geste ist dem Andenken an alle Helden gedacht, deren Opfer einen Beitrag zum völligen Sieg der revolutionären Armeen, die für ein gemeinsames Europa kämpfen, geleistet haben“. Unter dem Denkmal für die Toten dürfte wohl das große Kreuz in der Mitte des Sigmaringer Friedhofs gemeint gewesen sein. Simon Sabiani, der Stellvertreter von Jacques Doriot, und Marcel Marschall waren die Leiter des Büros der Französischen Volkspartei in der Schwabstraße 4 in Sigmaringen. Die Ankündigung wurde übrigens in der Zeitung „La France“ Nr. 9 vom 5. November 1944 wiederholt.
Der Hedinger Friedhof war ferner die Begräbnisstätte für die fünf in Sigmaringen verstorbenen Réfugiés. Vier der Gräber wurden nach Ablauf der Nutzungsfrist 1965 aufgelassen. Eine Fristenverlängerung gab es lediglich für das Grab der Witwe Pauline Bonnard. Diese erfolgte durch eine Familienangehörige aus Barcelona. Als nach Ablauf dieser Frist seitens der Familie Bonnard keine Verlängerung mehr erfolgte, beschloss die Stadtverwaltung Sigmaringen, das Grab der Pauline Bonnard dennoch zu belassen und es in Eigenregie zu pflegen.
Die Witwe Bonnard, geb. Benielli, erblickte am 13. Februar 1855 in Ajaccio auf Korsika das Licht der Welt. Sie war verheiratet mit Ernest Bonnard, geboren am 20. Februar 1850. Pauline Bonnard kam in Begleitung ihrer beiden Söhne Anfang September 1944 nach Sigmaringen. Der Sohn Abel Bonnard, französischer Erziehungsminister in Vichy, der seinen Antisemitismus nach seiner Ernennung besonders eifrig zur Schau trug, residierte als Angehöriger des „schlafenden Ministeriums“ zusammen mit seiner Gemahlin im Sigmaringer Schloss. Pauline Bonnard und ihr Sohn Eugène indes bekamen in der Dienstwohnung von Landrat Dr. Robert Seifert im Landratsamt Sigmaringen in der Karlstraße 15 eine Wohngelegenheit zugewiesen. Wie an anderer Stelle schon erwähnt, war die damals fast 90jährige Pauline Bonnard die Lieblingspatientin von Dr. Louis-Ferdinand Destouches, genannt Céline. Hierfür war neben der Persönlichkeit der Patientin vor allem aber deren Fähigkeit maßgeblich, dass sie selbst noch in ihrem hohen Alter französische Autoren auswendig rezitieren konnte.
Pauline Bonnard starb am 4. März 1945 um 24 Uhr in ihrer Wohnung im Landratsamt Sigmaringen Karlstraße 15. Ihr Arzt Céline gab als Todesursache im Totenschein, ausgestellt am 5. März 1945, „Asystolie“, also Herzstillstand, an. Die Obsequien für Pauline Bonnard fanden am 8. März um 8 Uhr in der Hedinger Kirche und die Messe anschließend um 9 Uhr in der Stadtpfarrkirche St. Johann in Sigmaringen statt. Daran schloss sich vermutlich die Beerdigung auf dem Hedinger Friedhof an.
Otto H. Becker