Am 6. September 1944 berichtete der Sigmaringer Landrat dem Regierungspräsidenten in Sigmaringen die sofortige Beschlagnahme sämtlicher Räume des Gebäudes Gorheimer Straße 2 aufgrund der §§ 5 und 25 des Reichsleistungsgesetzes für besondere Unterbringungszwecke. Das Gebäude wurde Sitz der italienischen Botschaft der faschistischen Regierung von Salò am Gardasee. Bei der Realität im Sigmaringer Ortsteil Gorheim handelte es sich um ein Schweizerhaus, Chalet genannt, das um die Mitte des 19. Jahrhunderts von Leutnant Dopfer erbaut worden war. 1869 gelangte es in den Besitz des sehr vermögenden Privatiers Kaspar Teufel, der das Anwesen nicht nur durch Zukäufe erweiterte, sondern vor allem auch durch großzügige Anlagen verschönerte. Nach dem Tod Teufels erwarb Fürst Karl Anton von Hohenzollern 1881 das Anwesen. Nach dem Ableben des Fürsten wurde das Chalet vom hohenzollernschen Landesbaurat Max Leibbrand erworben. 1908 kaufte es Prinz Karl Anton von Hohenzollern (1868 – 1919), der dritte Sohn des Fürsten Leopold. Der neue Eigentümer wollte auf dem Platz des Chalet ursprünglich ein Schloss errichten, ein Vorhaben, von dem er alsbald wieder abkam. Prinz Karl Anton erwarb 1909 vielmehr das Schloss Namedy bei Andernach am Rhein und wurde damit zum Begründer Linie Namedy der schwäbischen Hohenzollern.

Die Kinder des Prinzen Karl Anton verkauften das Chalet 1919 an dem Münchener Bankdirektor Michael Kopplstaetter, über den das Anwesen 1926 schließlich an die Kongregation der Schwestern vom Heiligen Vinzenz von Paul überging, die in Sigmaringen das Josefinenstift betrieb. Die damalige Oberin im Josefinenstift, Bernadette Kopplstaetter, war übrigens eine Nichte des Münchener Bankdirektors. Die neuen Eigentümer nutzten das Chalet vornehmlich als Erholungsheim für ihre Mitschwestern.

Über die Aktivitäten der italienischen Vertretung bei der Vichy-Regierung unter Konsul Mario Longhini ist uns so gut wie nichts bekannt. Da in den Adressbüchern der Stadt Sigmaringen im Chalet jeweils nur zwei bis drei Bewohner aufgeführt werden, dürfte die Botschaft wohl auch kaum über zehn Bedienstete umfasst haben. Maximilian Schaitel berichtet an einer Stelle, dass er das Personal von der italienischen Botschaft nur in feldgrauen Uniformen gesehen habe. Einige Mitglieder der Botschaft besuchten, wie unser Chronist weiter ausführt, sonntags auch den Gottesdienst in der Stadtpfarrkirche St. Johann.

Das Chalet, das nach dem Krieg vorwiegend an Privatpersonen vermietet war, wurde 1961 schließlich abgerissen. An seiner Stelle wurde ein modernes Altenheim errichtet, das 1963 eingeweiht werden konnte. Es erhielt den Namen Michaelstift. 2002 verkauften die Vinzentinerinnen des Mutterhauses Heppenheim das Michaelstift an die Vinzentinerinnen des Mutterhauses Untermarchtal. Durch den Bau der Umgehungsstraße 1976 – 1978 wurde das Terrain des Michaelstifts stark verkleinert; es liegt heute auf einer Anhöhe zwischen der Gorheimer Straße, der Ungehungsstraße und der Jungnauer Straße.

Otto H. Becker