10 Prinzengarten

Der Prinzengarten, in den 1870er Jahren als Landschaftsgarten angelegt, war der zum Fürstlich Hohenzollernschen Stadtschloss, dem Prinzenbau, gehörige Park. Dieser war im Westen durch eine Mauer, der so genannten Au-Mauer, und dem Komplex des Prinzenbaus, im Süden und im Osten durch einen Zaun und im Norden durch den Fürstlichen Reitstall, heute Marstall genannt, umgeben. Seine Nutzung blieb bis 1974 allein der Fürstlichen Familie vorbehalten. Eine Ausnahme bildeten jedoch die letzten Wochen vor dem Ende des Zweiten Weltkriegs.

Infolge des Näherrückens der Fronten flüchteten viele Franzosen, vor allem französische Arbeiter aus den Grenzregionen des Reiches, aber auch russische und polnische Fremdarbeiter nach Sigmaringen, um sich in Sicherheit zu bringen, oder von dort mit dem Zug weiterzufliehen. Unter diese mischten sich mehr und mehr auch Soldaten. Da aber wegen der Tiefflieger nur noch morgens und abends Züge fuhren und der Aufenthalt unmittelbar am Bahnhof tagsüber zu gefährlich war, überbrückten viele der Flüchtenden ihren Aufenthalt bis zur Weiterfahrt am Mühlberg, Josefsberg oder an der Buchhalde. Dies war möglich, weil das Frühjahr 1945 sehr zeitig und auch außergewöhnlich mild war.

Doch dabei sollte es nicht bleiben. Schließlich wurden auch die Zäune überwunden und der Prinzenpark mit seinem Weiher als Lagerplatz benutzt. Maximilian Schaitel beschreibt die Situation mit Eintrag zum 15. April 1945 in seinem Tagebuch folgendermaßen: „Heute Sonntag war er voll belagert. Truppen hatten kompanieweise Gewehre und Tornister zusammengesetzt und lagen im Rasen, Zivilisten taten dasselbe.“

Sigmaringen wurde am 22. April 1945 von französischen Kampftruppen, die über die Alte Krauchenwieser Allee, den Josefsberg und die Josefinenstraße in das Stadtzentrum eingedrungen waren, kampflos übergeben. Wohl hatten es nicht alle Réfugiés und Milizsoldaten geschafft, vor den anrückenden Truppen zu fliehen. Denn, wenn wir der Chronik der Lehrerin Klara Steidle über das Wirken der Kongregation der Schwestern der christlichen Liebe in Sigmaringen Glauben schenken wollen, fanden im Prinzenpark Erschießungen statt. Sie schrieb u.a. darüber: „Noch stundenlang hörte man das Jammern eines Schwerverletzten. Mitgliedern des Roten Kreuzes wurden unter der Androhung des Erschießens untersagt, dem Leidenden zu Hilfe zu kommen.“

Nach dem Krieg blieb der Prinzengarten wieder einzig und allein der Fürstlichen Familie vorbehalten. 1974 verpachtete der Fürst von Hohenzollern den Park an die Stadt Sigmaringen. Seitdem ist die „grüne Lunge der Stadt“ für die Allgemeinheit zugänglich. Der 1999 von der Stadt betriebene Plan, im Zusammenhang mit der angestrebten Beseitigung des Bahnübergangs eine Straße südlich des Prinzenbaus durch den Prinzengarten zu bauen, konnte verhindert werden. Der Garten drohte danach aber völlig zu verwildern. So waren die für einen Landschaftsgarten so charakteristischen Sichtachsen allesamt zugewachsen.

Die Situation änderte sich im Zusammenhang mit der Bewerbung der Stadt Sigmaringen um die Durchführung der kleinen Gartenschau 2013. Hierbei spielte die Gartenanlage beim Prinzenbau eine zentrale Rolle. Im Frühjahr 2007 begann man mit umfangreichen Instandsetzungsmaßnahmen. Dabei hat man zunächst den Wildwuchs beseitigt, die Sichtachsen wieder freigelegt und Wiesenflächen neu eingesät. Um an Zuschüsse für diese Arbeiten zu gelangen, wurde auf Antrag der Stadt Sigmaringen der Prinzengarten zu einem Kulturdenkmal von besonderer Bedeutung erklärt und in das Denkmalbuch eingetragen. Im Sommer 2008 kamen das Fürstenhaus und die Stadt Sigmaringen schließlich vertraglich überein, den Unterhalt und die Pflege des Prinzengartens in Zukunft gemeinsam je zur Hälfte übernehmen zu wollen. Damit war der Pachtvertrag von 1974 obsolet. Die Sigmaringer und alle Freunde der Gartenbaukunst waren über das Ergebnis der Arbeit von 2007/08 begeistert.

Bei der Gartenschau 2013, die sich großen Zuspruchs erfreute, wurde im Prinzenpark ein Skulpturenpark gezeigt, der aus insgesamt 20 Kunstwerken bestand. Auch diese Präsentation erfreute sich bei den Besuchern großen Zuspruchs.

Otto H. Becker