Für die Unterbringung des französischen Staatspräsidenten Marschall Philippe Pétain (1856–1951), seiner Minister, der Delegierten der Regierungskommission und ihren Angehörigen war das repräsentative Residenzschloss der Fürsten von Hohenzollern an der oberen Donau vorzüglich geeignet. Das Schloss, auf einem langgezogenen Jurafelsen 45 m über der Donau errichtet, wurde 1077 in der Chronik des Klosters Petershausen erstmals erwähnt. Von der ältesten Bauphase der ehemaligen Burg zeugt heute noch der Bergfried, Römerturm genannt. Die zahlreichen Adelsgeschlechter, die den Herren von Sigmaringen nachfolgten, bauten die Burganlage im Hoch-und Spätmittelalter weiter aus.
Seit 1535 befindet sich Schloss Sigmaringen als Bestandteil der Grafschaft Sigmaringen im Besitz der Hohenzollern. 1577 wurde es Residenzschloss der Sigmaringer Linie der schwäbischen Hohenzollern, die ebenso wie die Hechinger Linie 1623 in den Reichsfürstenstand erhoben wurde. Auch die nunmehrigen Fürsten von Hohenzollern-Sigmaringen waren bestrebt, ihr Residenzschloss im Stil ihrer Zeit weiter auszubauen. Besondere Verdienste erwarb sich dabei vor allem Fürst Joseph Friedrich (1715–1769). Ihm verdanken wir den Ausbau und die Barockisierung des westlichen Teils des Schlosses von den Tortürmen bis zum Römerturm, den so genannten Josephsbau.
Eine rege Bautätigkeit entfaltete dann vor allem aber Fürst Karl Anton (1848-1885). Der Fürst, der 1850 wie sein Hechinger Vetter die Landeshoheit über sein Fürstentum an Preußen abgetreten hatte, machte danach in preußischen Militärdiensten Karriere und bekleidete von 1858 bis 1862 als unmittelbarer Vorgänger Bismarcks sogar das Amt des preußischen Ministerpräsidenten. Für seine kostbare Kunstsammlung errichtete der Fürst 1862/67 einen eigenen Museumsbau, der mit einem Spitzbogen mit dem Schloss verbunden wurde. Seine Waffensammlung, die als eine der größten Privatsammlungen gilt, fand 1864 Platz in dem Gewölbe unterhalb des Schlosshofs. 1866 wurde der Marstall beim Schloss renoviert. 1872 folgte die Ausstattung des als Speisesaal dienenden Französischen Salons im Louis-Seize-Stil durch den Pariser Architekten Lambert. Karl Anton, der sehr dynastisch dachte, ließ 1878 mit großem Aufwand schließlich auch den Ahnensaal renovieren. An den Wänden des Saals befinden sich heute 26 Ölgemälde mit Abbildungen von Vorfahren des Fürsten, von diesem selbst sowie von seinem Sohn und Nachfolger Leopold.
Der Ostflügel des Sigmaringer Schlosses wurde 1893 durch einen verheerenden Brand völlig zerstört. Der gesteigerten Bedeutung ihres Hauses entsprechend, ließen die Fürsten Leopold (1885-1905) und Wilhelm (1905-1927) unter Hofbaurat Johannes de Pay (1895-1899) und dem Münchener Architekten Emanuel von Seidl (1900-1906) den abgebrannten Teil des Schlosses im größeren Stil wieder aufbauen und den Schlosskomplex durch Neubauten abrunden. Der wieder aufgebaute Ostflügel des Schlosses, nunmehr Leopoldbau genannt, legt Zeugnis ab von der Wohnkultur und dem Repräsentationsbedürfnis des Fürstlichen Hauses Hohenzollern um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert. Zu nennen sind hier im ersten Stock vor allem die so genannten Josephinengemächer, benannt nach der Gemahlin des Fürsten Karl Anton, geborener Prinzessin von Baden, mit sanitären Anlagen, Boudoir, Ankleidezimmer und Schlafzimmer, der Blaue und der Grüne Salon. Es folgen der Schwarze und der Rote Salon, bei deren Innenausstattung das Faible von Emanuel von Seidl zum Eklektizismus, also der Verwendung verschiedener Stilelemente bei einem Bauprojekt, besonders deutlich wird.
1901 wurde der Römerturm mit einem neogotischen Helm versehen. Es folgte 1902 der Bau eines Terrassensaals, durch den der Schlosshof verkleinert, aber in Richtung Stadt abgeschlossen wurde. Die so genannte Portugiesische Galerie, benannt nach der dem Heimatland der Fürstin Antonia, Gemahlin des Fürsten Leopold, einer geborenen Infantin von Portugal, wurde mit wertvollen Gobelins ausgestattet. Dieser Festsaal wird heute vornehmlich für Vorträge und Konzerte genutzt. Der Ausbau des Sigmaringer Schlosses kam 1906 mit der Vollendung des nach Süden in Richtung Stadt weisenden Wilhelmsbaus weitgehend zum Abschluss.
Otto H. Becker