Das Museum, heute Mittelbau des 1997 fertig gestellten Ensembles Dienstleistungszentrum „Hofgarten“, wurde 1890 von Fürst Leopold von Hohenzollern in barockem Stil erbaut und war bis 1935 Sitz der elitären Sigmaringer Museumsgesellschaft. Diese war ursprünglich eine Lesegesellschaft, dann aber auch eine Einrichtung geselligen Lebens der Honoratioren der Stadt. In dem Gebäude befanden sich im Untergeschoß die Gesellschaftsräume und die Schänke „Zum Schatten“ mit Kegelbahn. In der 1. Etage befand sich ein prächtiger Fest-und Ballsaal. Vor dem Gebäude hatte man einen Tennisplatz angelegt.

Der repräsentative Bau in Schlossnähe, der zudem seine Funktion als Sitz der Museumsgesllschaft eingebüßt hatte, erregte alsbald das Interesse der mit der Unterbringung der Vichy-Regierung in Sigmaringen betrauten Dienststellen. Wie wir aus einem Schreiben der Deutschen Botschaft vom 22. Oktober 1944 erfahren, hatte die Französische Vichy-Regierung das „Museum“ oder „Schatten“ genannte Gebäude seit dem 11. Oktober 1944 für Unterkunftszwecke der französischen Miliz in Anspruch genommen. Die Inanspruchnahme erstreckte sich, wie aus dem Schriftstück entnommen werden kann, auf Räume im Keller-und Erdgeschoß, im 1. Stock und im Kniestock. Wie wir an anderer Stelle erfahren, war die Beschlagnahme mit Zustimmung des Sigmaringer Regierungspräsidenten und des Gauleiters von Württemberg-Hohenzollern in seiner Eigenschaft als Reichsverteidigungskommissar hin erfolgt. Die Beschlagnahme galt rückwirkend ab 11. September 1944. Die Milizionäre, die im Museum untergebracht wurden, waren für den Wachdienst im Schossbereich eingesetzt.

Über die Lebensumstände dieser zumeist sehr jungen Männer sind wir im Einzelnen nicht unterrichtet. Wenn wir der verstorbenen Sigmaringer Ehrenbürgerin Luise Leininger, deren Ehemann Bediensteter des Fürsten von Hohenzollern war, Glauben schenken wollen, war die Verpflegung dieser Wachsoldaten im Unterschied zu den Schlossbewohnern unzureichend. An einer Stelle ihrer so genannten Lebenserfahrungen „Bruder Konrad mein treuer Freund und Helfer“ lesen wir hierzu: „Lange Zeit waren wir alle der Meinung, diese Leute [ d.h. Franzosen] würden außergewöhnlich gut verpflegt. So kam ich eines Tages von einem Einkauf mit Taschen den Schloßberg herauf, und vor mir stand der Milizsoldat mit geschultertem Gewehr. Doch während meines Näherkommens sah ich, wie der Mann furchtbar gähnen mußte. Ich dachte auch nicht, daß er deutsch verstände, und sagte lächelnd: „Olala, Bursche, hast du Hunger oder bist du müde?“ Er sah mich groß an und sagte: „Hunger, Madame!“ Es war 10 Uhr morgens. „So, du hast Hunger, dann komm zum Frühstück!“ Ich sagte ihm wo, und ich habe kaum wieder so strahlende Augen gesehen. Eine halbe Stunde später hatte ich, wie ich glaubte, einen halbverhungerten Menschen gespeist, und ab dieser Stunde hatte ich einen Sohn mehr, und ich wusste, dass diese Leute sehr hungerten“.

Anhand einschlägiger Unterlagen sind wir demgegenüber über einzelne Pläne der Miliz bezüglich der Nutzung des Museums und seines Areals unterrichtet. So hatte das Fürstliche Rentamt mit Schreiben vom 18. November 1944 dem Staatssekretär und Oberbefehlshaber der Miliz, Joseph Darnand, grundsätzlich die Erlaubnis erteilt, für Zwecke der Unterbringung französischer Familien in der Nähe des Museumsgebäudes sieben kleine Baracken sowie eine für Wirtschaftsbetrieb und eine für die Unterbringung von Autos zu erstellen.

Wie wir aus einem Bericht der Fürstlichen Baukanzlei vom 2. Dezember1944 erfahren, hatten die Franzosen ferner den Antrag gestellt, zur Schaffung eines großen Schlafraums den Dachstock des Museumsgebäudes ausbauen zu dürfen. Hierzu gab die Baukanzlei zu bedenken, dass die hierfür erforderliche Verstärkung der Dachkonstruktion derzeit nicht ausführbar sei. Zum Bau der geplanten Baracken und des Ausbaus der Dachkonstruktion ist es infolge des Kriegsverlaufs freilich nicht mehr gekommen.

Nach dem Krieg blieb die Gaststätte des Museums „Zum Schatten“ noch bis 1948 bestehen. Ab 1952 wurde das Gebäude von einer Spitzenfabrik genutzt, ab 1970 befand sich darin eine Tanzbar. 1994 begann das Fürstenhaus als Eigentümer damit, das Museum von Grund auf zu renovieren und baulich zu erweitern. Dabei erhielt u.a. auch der Festsaal in der 1. Etage wieder seinen alten Glanz zurück. Dem historischen Gebäude wurden ferner zwei moderne Flügelbauten angefügt und das Ganze mit einer Tiefgarage versehen. Im März 1997 konnte das Fürstliche Ensemble schließlich als Leistungszentrum „Hofgarten“ der Sparkassen- Finanzgruppe eingeweiht werden.

Otto H. Becker