Das Café Kleindienst wurde nach Umbauten 1906 in der Karlstraße 2 eröffnet. 1929 erfolgte sodann eine Erweiterung des Geschäfts. Wie im Café Schön (Antonstraße 34) pflegten 1944/45 vornehmlich jüngere Réfugiés auch im Café Kleindienst das karge Eintopfgericht, das man ihnen in den Gasthäusern vorsetzte, mit Kaffee und Kuchen aufzuwerten.

Nach dem Einmarsch der französischen Truppen am 22. April 1945 wurde auch das Café Kleindienst wie die übrigen Cafés und Gasthäuser der Stadt beschlagnahmt und zu Cafés und Kasinos (popotes) der Besatzungstruppen umfunktioniert.

Wohl weil der Miteigentümer des Cafés Kleindienst, Franz Stark, „Parteigenosse" war, wurde dieses im Unterschied zu den anderen Cafés und Gasthäusern der Stadt in der frühen Besatzungszeit nicht wieder an die Eigentümer zurückgegeben. Am 5. Dezember 1947 eröffnete man in den Räumen des Cafés Kleindienst vielmehr das Informationszentrum (Centre d‘information) „Die Brücke“. Die Aufgabe dieses Informationszentrums bestand in erster Linie darin, durch Vermittlung kultureller Werte einen Beitrag zur deutsch-französischen Verständigung zu leisten. Solche Einrichtungen waren 1947 auf Betreiben der französischen Besatzungsmacht übrigens in nahezu allen Kreisstädten des Landes Württemberg-Hohenzollern entstanden. Man denke nur an die „Fähre“ in Saulgau oder an die „Quelle“ in Wangen i.A.

Das Angebot der „Brücke“ bestand zunächst in einer recht umfangreichen Bibliothek mit französischer und deutscher Literatur. Für interessierte Bürger lagen zur Information ferner Zeitungen und Magazine aus. Darüber hinaus veranstaltete die „Brücke“ Kunstausstellungen, Vorträge, Theateraufführungen und Konzerte. In ihren Räumen wurde ferner die Geschäftsstelle des am 15. Januar 1948 gebildeten Kreiskulturrates eingerichtet, der vor allem die Planung und Organisation aller Veranstaltungen in Sigmaringen sowie der Vorverkauf mit Ausnahme des Landestheaters oblagen.

Infolge der unzureichenden finanziellen Ausstattung, die durch die Währungsreform noch verschärft wurde, drohte dem Informationszentrum „Die Brücke“ bereits im Spätherbst 1948 wieder die Schließung. Begleitet wurde diese Entwicklung ferner durch ein zunehmendes Desinteresse der Bevölkerung an kulturellen Veranstaltungen. Diese Probleme vermochte auch der zur Beförderung des kulturellen Lebens in der Stadt und im Kreis Sigmaringen errichtete Kreiskulturrat, der aus dem Landrat, dem Bürgermeister von Sigmaringen und einigen Honoratioren bestand, nicht in den Griff zu bekommen.

Zur „Rettung des kulturellen Lebens“ konstituierte sich gegen Ende des Jahres 1948 ein Arbeitsausschuss, dem u.a. die Vorsitzenden der „Brücke“ und des Kreiskulturrates, Fritsche und Strobel, angehörten. Das Gremium machte schließlich den Vorschlag, die Wahrnehmung der gesamten künstlerischen und kulturellen Belange von Stadt und Kreis Sigmaringen sowie die Planung und Durchführung von Vorträgen, Diskussionen, Kunst-und Handwerkerausstellungen usw. anstelle des Kulturrates einem alle Kultureinrichtungen umfassenden Verein, einer „Gesellschaft für Kunst und Kultur“ zu übertragen.

Die Gründungsversammlung fand am 7. Februar 1949 im Gasthof „Krone“ statt. Der vorgelegte Entwurf der Satzung wurde genehmigt. Bei den anschließenden Wahlen wurde Regierungsrat Zepf zum Vorsitzenden, Regierungs-und Baurat Genzmer zum stellvertretenden Vorsitzenden, Staatsarchivrat Dr. Herberhold zum Schriftführer, Finanzpräsident a.D. Weißleder zum Kassierer und Dramaturg Fritsche zum Beauftragten für die Veranstaltungen gewählt.

Der französische Kreisgouverneur Colonel Clément, der übrigens als erster Ausländer der Gesellschaft für Kunst und Kultur beitrat, hinterließ mit seiner in deutscher Sprache gehaltenen Rede den tiefsten Eindruck dieser denkwürdigen Veranstaltung. Nach dem Bericht in der Schwäbischen Zeitung vom 10. Februar 1949 soll er u.a. gesagt haben: „Es sei an der Zeit, daß die beiden wertvollen alten Kulturvölker, Deutschland und Frankreich, ihren tragischen Streit vergessen und sich im Gedenken an ein einigendes Europa vor allem wieder auf geistig-kulturellem Gebiet zusammenfinden…“

Die „Gesellschaft für Kunst und Kultur“, die das Informationszentrum „Die Brücke“ beerbte, konnte die Hoffnungen ihrer Gründerväter weitgehend erfüllen. Mit ihren Kunstausstellungen, Theateraufführungen, Vorträgen und Studienfahrten nimmt die Gesellschaft bis zum heutigen Tag Aufgaben wahr, die in Städten in der Regel von Kulturämtern wahrgenommen werden.

Nach dem Aufgehen des Informationszentrums „Die Brücke“ in der Gesellschaft für Kunst und Kultur erfolgte die Rückgabe des Anwesens Karlstraße 2 an die Eigentümer. Diese eröffneten darin wieder ein Café. Dann hieß es „Café Weinstube Kleindienst“. Danach befand sich darin ein Grill. Schließlich wurde dieses Geschäft von der benachbarten Metzgerei Sorg-Beck erworben. 2012 erfolgte sodann der Abriss der beiden Häuser. Ihr Gelände wurde für den Bau des Kaufhauses C&A benötigt.

Otto H. Becker